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3D-Druck-Technologien

Fokus: 3D-Druck Teil 1 // Beitrag von Miriam Huwiler

Mein Vater hatte über 20 Jahre lang bei Ringier Print im Zeitungsdruck gearbeitet. Hautnah erlebte ich mit, wie technische Innovationen seinen Beruf in der Druckvorstufe veränderten. An einem Tag der offenen Tür Ende der 80er-Jahre sah ich zum ersten Mal die grossen Zeitungsdruckmaschinen und war sehr beeindruckt. Ich ahnte noch nicht, was Druckmaschinen in naher Zukunft bewerkstelligen würden.

Stratasys' erster 3D-Drucker fotografiert 1991. 

 

"Die Veränderungen durch 3D-Druck sind tiefgreifender, als es auf den ersten Blick erscheint. Es werden nicht nur bekannte Dinge auf Knopfdruck hergestellt, sondern es entsteht eine völlig neue Art von Bauteilen und Formen, die nur eine komplexe Software erschaffen kann", so Frank Thelens Fazit in seinem Spiegel Bestseller "10x DNA - Das Mindset der Zukunft" (4. Auflage 2020, S. 135). 

Es lohnt sich beim 3D-Druck genauer hinzuschauen und zu verstehen, worin die Disruption dieser Technologie besteht. 

Die Produktion folgte bisher immer dem gleichen Prinzip: Man nimmt einen Block eines beliebigen Materials und bearbeitet den Block, bis er die passende Form erhält. Ein Schreiner schneidet Holzplatten zu, um ein Regal zu bauen. Die einzelnen Elemente werden geklebt oder verschraubt, damit eine komplexere Konstruktion (das Regal) entsteht. 

Beim 3D-Druck funktioniert die Produktion fundamental anders: "Ein 3D-Drucker kann ein Objekt jeglicher Form direkt im dreidimensionalen Raum erstellen. Jeder Punkt im Druckbereich kann individuell angesteuert werden. Für jeden Punkt kann ein eigenes Material bestimmt werden. Seit Hammer und Nagel ist dies die grösste Erfindung im Bereich der Produktion." (Thelen, S. 127). 

 

3D-Druck-Technologien

Es gibt unterschiedliche 3D-Druck-Technologien, je nach dem welches Rohmaterial verwendet wird. Grob können 3 Verfahren unterschieden werden:

  • 3D-Druck mit flüssigen Materialien (STL/SLA, DLP)
  • 3D-Druck mittels geschmolzenen Materialien (FDM/FFF) 
  • 3D-Druck mit Pulver (SLS, EBM). 

Weiter gibt es das "Multi Jet Modeling (MJM)", welches eine Mischung aus Stereolithografie (SLA) und Fused Deposition Modeling (FDM) darstellt. 

Schauen wir uns im Folgenden die einzelnen Verfahren und ihre Geschichte an.

 

Stereolithografie (STL, SLA)

Chuck Hull (eigentlich Charles W. Hull; geboren 12. Mai 1939) ist ein US-amerikanischer Erfinder und Ingenieur. Er entwickelte die Stereolithografie. 1983 wurde mit diesem Verfahren der erste Gegenstand von einem 3D-Drucker gedruckt. 1984 reichte er einen Patentantrag ein, 1986 erhielt er das Patent für SLA  (Quelle) und gründete sein Unternehmen 3D Systems in Valencia, Kalifornien, um die Technologie kommerziell anzuwenden. 1987 kam der erste SLA-3D-Drucker auf den Markt. (Quelle) 3D Systems ist heute der Marktführer für 3D-Druck-Maschinen in den USA. 

Stereolithografie-Maschinen verwenden eine Lichtquelle - einen Laser oder Projektor -, um flüssiges Harz in ausgehärteten Kunststoff zu transformieren. (Quelle)

Chuck Hull erhielt 2014 den europäischen Erfinderpreis für die herausragendste aussereuropäische Erfindung. 


Digital Light Processing (DLP)

Das DLP-Verfahren funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Stereolithografie (SLA). Als Lichtquelle wird ein DLP-Projektor verwendet. Jüngste Projekte, die als Open Source zur Verfügung stehen, haben dieses Prinzip mit einem handelsüblichen Beamer realisiert. (Quelle)

 

Fused Deposition Modeling (FDM)

Das "Fused Deposition Modeling (FDM)", zu Deutsch Schmelzschichtung, ist ein Fertigungsverfahren, mit dem ein Werkstück schichtweise aus einem schmelzfähigen Kunststoff oder auch - in neueren Technologien - aus geschmolzenem Metall aufgebaut wird. Dieses Verfahren wurde durch S. Scott Crump in den späten 1980er Jahren entwickelt (Geschichte) und 1989 patentiert (Patent). Der Ausdruck „Fused Deposition Modeling“ und seine Abkürzung FDM sind geschützte Marken der Firma Stratasys

Fused Filament Fabrication (FFF)

"Fused Filament Fabrication (FFF)" ist eine alternative Bezeichnung für das Schmelzschichtverfahren von S. Scott Crump (siehe oben). Sein Unternehmen Stratasys hat den Namen der Methode "Fused Deposition Modeling" und die Abkürzung "FDM" als Marken eintragen lassen. Das Patent auf das Verfahren lief 2009 ab, die Markenschutzrechte bestehen aber weiter. Seither benutzen andere Unternehmen für das Schmelzschichtverfahren den Namen "FFF", da sie "FDM" nicht benutzen dürfen (Quelle). 

 

Der Name "Fused Filament Fabrication" wurde von den Mitglieder des RepRap-Projektes eingeführt. RepRap-Erfinder Adrian Bowyer (Bath University, UK) veröffentlichte seine erste Idee für den "Replicating Rapid-Prototyper" im Februar 2004 online. Der RepRap ist ein 3D-Drucker, der für das Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing verwendet werden kann und alle Kunststoffteile seiner eigenen Bauteile selbst herstellen kann (Autoreplikation). Die Pläne für das Gerät und die nötige Software stehen unter einer öffentlichen Lizenz, können also von jeder Person verwendet und weiterentwickelt werden. Du kannst dir selbst einen RepRap bauen und damit den nächsten RepRap selbst produzieren und weiterverschenken: "Following the principles of the Free Software Movement we are distributing the RepRap machine at no cost to everyone under an open source license (the GNU General Public License). So, if you have a RepRap machine, you can use it to make another and give that one to a friend..." (Quelle)

Rund um RepRap hat sich eine weltweite Community von Ingenieuren und Programmierern entwickelt, die gemeinsam an der 3D-Druck-Revolution arbeiten. 


Selektives LaserSintern (SLS)

Sintern wird auch als Pulverbrettverfahren bezeichnet. Das Rohmaterial ist ein sehr feines Pulver, das dünn auf einer Plattform verteilt und von einem Laserstrahl an den gewünschten Punkten zum Schmelzen gebracht wird. (Thelen, S. 128)

Eine systematische Erforschung des Sintervorgangs setzte in den 1950er Jahren mit der Entwicklung der Pulvermetallurgie ein, als man begann Metallbauteile aus Pulverformkörpern herzustellen. (Quelle)


Die Sintratec AG ist ein junges Schweizer Unternehmen, das SLS 3D-Druckmaschinen herstellt. Mehr dazu HIER

 

Electronic Beam Melting (EBM)

Beim Elektronenstrahlschmelzen werden nach einem ähnlichen Prinzip wie beim Lasersintern pulverförmige Metalle über einen gut steuerbaren Elektronenstrahl unter Vakuum verschmolzen. Das Vakuum verhindert einen Einschluss von Sauerstoff in das Objekt. Dadurch entstehen sehr feste metallische Objekte, die über einen komplexen Aufbau verfügen können. Das Verfahren ermöglicht auch das Verarbeiten von Metallen mit einem höheren Schmelzpunkt wie beispielsweise Titan. Zwar erreichen EBM Geräte üblicherweise eine schlechtere Auflösung als SLS Geräte, dafür ist der Druckvorgang um einiges schneller. (Quelle)

 

Worin liegt die Disruption?

Die Verfahren der additiven Fertigung haben entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen Produktionsverfahren und beeinflussen damit die Fertigungs- und Logistikketten ganzer Industrien:

  • Vor-Ort-Produktion in Echtzeit

Wenn z.B. Automobilbauteile nicht mehr von Presswerken zu Produktionsanlagen transportiert werden müssen, sondern in Echtzeit vor Ort hergestellt werden können, beeinflusst dies die Lagerhaltung, Transportkosten und die Abhängigkeit von Zulieferern.

  • Hohe Effizienz

Additive Fertigungsverfahren setzen Rohstoffen optimal ein: Es gibt keinen Ausschuss oder Abfall. Die ökonomischen und ökologischen Vorteile von 3D-Druckern sind enorm. 

  • Leichter Umgang mit Komplexität

Will ein Hersteller kleine Änderungen an seinem Produkt vornehmen, müssen Press- oder Gussformen erneuert oder CNC-Maschinen umprogrammiert werden. Vielleicht werden sogar neue Rohteile benötigt. Beim 3D-Druck müssen nur die Modelldaten digital angepasst werden und der Drucker kann sofort mit dem neuen Bauteil beginnen. 

"Auch komplexe geometrische Formen, die für Fräsen oder Pressen eine Herausforderung sind, druckt ein 3D-Drucker mit Leichtigkeit", so Thelen (S. 131). 

  • "Opportunities of scope" anstatt "economies of scale"

3D-Druck-Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle und Marktsegmente. Die Kosten werden nicht mehr kleiner, umso mehr ich produziere: "Dem 3D-Drucker ist es egal, ob er ein Bauteil 50 Mal druckt oder 50 verschiedene Bauteile ein Mal. Es entstehen werden Kosten durch zusätzliche Rüstzeiten noch durch Individualisierung. Die Paradigmen des 3D-Drucks verändern somit die alten Gesetze der Produktion." (Thelen, S. 132)

 


Der 3D-Druck fasziniert mich heute so wie als Kind die grossen Zeitungsdruckmaschinen. Mir kommt der "Replikator" aus Star Trek in den Sinn, durch den per Knopfdruck Mahlzeiten entstehen... oder gedruckt werden. Ich denke, wir sind Science Fiction noch nie so nah gewesen wie heute. Wie siehst du das?

 

WILLST DU MEHR ÜBER 3D-DRUCK ERFAHREN? DANN LIES WEITER IN TEIL 2

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